Olivier Theyskens machte erst Gothik-, dann Märchenroben. Heute Schlichtes. Warum? Lest Ihr hier!
Als Olivier Theyskens noch ein Kind war, ging er manchmal im Schlafanzug zur Schule. Sicherlich waren die rebellischen Pyjama-Tage aufregender als die anderen. Denn Schule fand der Belgier langweilig. Er brach sie vorher ab. Und sein Studium? Ebenfalls langweilig. Unnütz.”Mir gefiel der Ansatz dort nicht – man bekam den Eindruck, als ob alles ganz einfach sei in der Kunst.” Zwei Jahre hielt er es an der renommierten Modeschule “La Cambre” in Brüssel aus. Dann ging er.
Omas Bettwäsche
Seine erste Kollektion in 1997, kurz nach Abbruch der Modeschule, ist der Beginn einer Bilderbuchkarriere. Er zieht von Brüssel nach Paris und schneidert aus Omas Betttüchern gothisch- inspirierte Entwürfe. Verkaufen will er sie aber nicht. Düstere Lederkreationen mit toten Vögeln folgen. Richtig bekannt wird er dann, als Madonna ein Jahr später eines seiner Kleider zur Oskar Verleihung trägt.
Theyskens – mit ausgesprochenem s am Ende – lebt in seiner Traumwelt. Und sieht vorallem auch aus wie ein Fabelwesen. Feine Mimik, scheue Augen, Glanzmähne: Der Brüssler schwebt wie eine Elfe durch die Luxuswelt. Der Mode folgt er nicht – er macht sie. Deswegen feiert man ihn als ” jungen Karl Lagerfeld”.
Gegen nackte Bäuche
Ein Angebot von Givenchy schlägt er aus. Wird dann in 2003 aber Chefdesigner von Rochas. Seine Aufgabe? Das angestaubte Pariser Traditionshaus ins 21. Jahrhundert zu führen. Die Mission gelingt. Er macht mädchenhafte, aufwändige Roben, die an vergangene Epochen erinnern. Wie kam es zu diesem Sinneswandel? In einem Interview mit der Zeit, in 2004, sagte er: “Vielleicht war es instinktiv eine Reaktion auf die herrschende Vulgarität in der ganzen Welt.” Vulgär sind für Theyskens damals zum Beispiel nackte Bäuche.
Es heißt, Theyskens habe den Pariser Chick während seiner Zeit bei Rochas neu definiert. Dass ihm das gelang, ist kein Wunder: Seine Mutter, eine (äußerst stilvolle) Französin, prägte seine “Allure”, sein Stilbewusstsein von klein auf. Als er noch Kind war, half sie ihm, die Kleider für seine Puppen zu nähen und lieh ihm seine Nähmaschine, die er jedoch nie benutzte. Er näht lieber von Hand.
Rochas und Nina Ricci
Seine Liebe zu extremer Sorgfalt und Feinarbeit zeigt er auch bei Rochas: Seine Kreationen sind fast so aufwändig wie Haute-Couture-Kleider. Die Presse feiert ihn. Finanziell rentiert sich das Ganze jedoch nicht wirklich. 2006 geht er.
Die nächste Adresse ist nicht minder prestige-trächtig. Fortan arbeitet er als Chefdesigner bei Nina Ricci. Die Presse liebt seine femininen Entwürfe. Doch richtig kommerziell sind sie wieder nicht. 2009 – sieben Monate bevor sein Vertrag endet- verlässt er auch Nina Ricci.
New Yorker “Middle Luxury”
Nach Luxus-Gothik und Pariser Eleganz folgt die nächste Ära: “Nouvelle Luxe”, so nennen Franzosen eine neue Art “erschwinglicher” Luxuslabels. Die Amerikaner nennens schlicht “Middle Luxury”. Theyskens hat verstanden, dass wahrer Luxus eine Frage des Stils und nicht des Preises ist. Seit zwei Jahren ist er nun Art Direktor beim New Yorker Label Theory und Chefdesigner bei Theyskens Theory, seiner persönlichen Linie.
Hier gehts zum Video der Frühling-Sommer-Schau 2013 von Theyskens Theory !
Für Theyskens Theory entwirft er reduzierte, tragbare Frauenmode. Produziert werden die Stücke in Ateliers im New Yorker Meat Packing District. Und die Stoffe, sagt Theyskens, seien sehr hochwertig. Das TT-Girl (das Theyskens’s Theory Mädchen) soll jeden seiner Entwürfe tragen und bezahlen (!) können. Schönstes Stück der aktuellen Frühlingskollektion ist – (ganz subjektiv) – dieser hübsche “Belcor Pullover” mit transparenten Mesh-Ärmeln. Bei Net-a-Porter könnt ihr den Sweater bestellen.
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